Der Wintergarten von Manet ist ein Bild, was ich fast jeden Tag im Atelier auf einer Postkarte sehe. Zu diesem Bild kann man die absolut gegenteiligsten Gedanken haben, was genau die Faszination und Schönheit ausmacht. Es hat ganz viele Ebenen, Manet hat es zu einer Zeit gemalt, in der er sehr viele Paare gemalt hat und Wintergarten wird sehr oft als Beispiel für Paarbeziehungen verwendet.

Er hat dunkle kalte Farben gewählt. Bei diesem Ehepaar sieht man, es gibt eine deutliche Trennung durch die Bank, der Mann wendet sich mit dem Kopf seiner Frau zu und nicht mit seinem Körper. Seine Zigarre hat kein Feuer. Ihr Kleid ist fest verschlossen mit vielen Knöpfen.

An einem Tag kann man denken, diese Ehe ist in die Jahre gekommen, wahrscheinlich lassen sie sich morgen scheiden. Er schaut an seiner Frau vorbei, sie starrt teilnahmslos leer in die Ferne.

Am anderen Tag fällt einem auf, dass ihre Hände nur 5cm von einer Berührung entfernt sind. Er zeigt zu ihr, in jedem Moment könnte also etwas Neues beginnen.

Und was könnten sie teilen? Sie könnten dieselben Gedanken teilen und das verbindet sie. Man kann sie nicht sehen aber erahnen.

Die Unterhaltung der Beiden ist sehr interessant. Es ist auch ein Gespräch und ein Zuhören. Es ist eine gastfreundliche Umgebung insgesamt im Wintergarten auch wenn man andere Bilder davon sieht und so ist Zuhören ja auch Gastfreundschaft. Es ist eine innerliche Gastfreundschaft einem anderen Menschen zuzuhören. Unabhängig von einer Ehe.

Es ist so ein spannendes Bild, es lässt soviel offen für den Betrachter und genau dadurch, dass man vor einem Bild steht und es einem soviele Facetten und gute Gedanken ermöglichst, so kann man sich dazu letztlich seiner eigenen Wahrheit annähern. Kunst ist das fabelhafteste, was je von Menschen geschaffen wurde.

Es hängt in der alten Nationalgalerie in Berlin und es ist einfach heaven. Es ist Vielfalt, es ist auch Kommunikation, es spielt mit ganz verschiedenen Ebenen, mit Nähe, Distanz, Einsamkeit, Verbundenheit, Zurückhaltung, Verschlossenheit, Kälte...und es lässt dem Betrachter jeden Tag aufs Neue seine eigenen Gedanken haben. Kunst ist ein Geschenk des Himmels.

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