scheitern

das Wort scheitern klingt schon so, als sei in der Sekunde etwas zerbrochen. Heruntergefallen und in tausend Scherben zerbrochen, man kann es richtig hören, wie es auf den Boden aufschlägt. Und dann gibt es diese japanische Kunst, ich weiß nicht wie genau man sie nennt, aber es entstehen dabei die wunderschönsten Schmuckstücke aus Scherben. Der Riss wird extra mit gold oder silber betont und zusammengefügt. So entstehen neue Dinge und das ist etwas sehr schönes.

Wer schonmal Frettchen beim Spielen beobachtet hat, weiß, wenn ihnen etwas Unangenehmes geschieht, stoppen sie kurz, halten inne, wirklich nur kurz und dann schütteln sie sich ihr Fell. Und weiter gehts für sie. Das ist eine Art.

Auf den Kalenderblättern stehen oft Lebensweisheiten wie: alles ist nur eine Phase, Zitate von Goethe, oder man sagt auch oft zum Scheitern, steh einfach wieder auf, richte Deine Krone und los! Weitergehen.

Wozu eigentlich? Warum nehmen wir uns nicht die Zeit, ausgiebig und genüsslich am Boden liegenzubleiben? Um unser Scheitern anzuschauen und alles mal aus einer anderen Sichtweise zu sehen. Man übersieht sehr vieles wenn man zu schnell wieder aufs Pferd aufspringt und weiter galoppiert. Als wär nichts gewesen. Manchmal entdeckt man die besten neuen Möglichkeiten dabei. Und aufstehen kann man immer noch. Langsam und mit neuen anderen Türen und Ideen vielleicht.

Doch warum landen wir eigentlich dort, warum und an was scheitern wir immer wieder in unserem Leben?

Am Fahrkartenautomaten, weil man nicht den passenden Schein im Geldbeutel hat.

An den wiederkehrenden Schnecken am Gartengemüse.

Wir scheitern wahrscheinlich gefühlt hundertmal am Tag.

An Verhandlungen, weil andere sich besser, klüger und witziger verkaufen konnten. Mit der moderneren Technik oder einfach dem schnelleren Mundwerk. Man weiß es oft gar nicht, was wirklich der Grund für unser Scheitern ist. Und niemand scheitert wahrscheinlich so wirklich gerne im Leben.

Beim Malen macht Scheitern oft so richtig Spaß, freies Malen lebt von Zufall, von dem Unerwarteten, von dem, was wir nicht vorhersehen oder kontrollieren können. Es ist oft ein Geschenk des Himmels wenn man daran scheitert, eine eingetrocknete Farbtube zu öffnen oder den verklemmten Deckel von Pigmenten oder die kleine Dose Glitzer mit dem Schraubdeckel. Und alles ist gut mit dem Bild, wenn man es als das annehmen kann, was es ist.

Freies Malen ist auch immer eine kleine Einladung zum Scheitern.

Die Dinge können so geschehen, wie es halt eben ist. Und darauf kann man reagieren, das Glitzer wegpusten oder den plötzlichen Farbklecks verstreichen.

Oder es einfach nur betrachten.

Sein Scheitern zu betrachten geht oft schwer denn man ist es im Grunde auch gewohnt, das wegzuwischen was einem nicht erfolgreich gelingt.

Scheidungen, die in Kürze über die Bühne gebracht werden wollen. Beziehungen, die scheitern, unsere Vorstellungen und Ideen zu unseren Kindern, unserer Familie, die an der Realität scheitern. Weihnachten ist auch so ein Beispiel.

Wir scheitern an den Grenzen von anderen Menschen. Und an unseren eigenen. Umso mehr umso älter wir werden.Weil wir auch immer weniger ein Risiko eingehen weil man halt nunmal schon weiß, wie scheitern sich eben auch anfühlen kann. Und es immer weniger Möglichkeiten gibt, die man überhaupt noch sehen kann. Man scheitert auch mit anderen Menschen weil man nicht wirklich verstanden wird. Und es keine Kommunikation gibt. Das stimmt nicht, dass man über alles sprechen kann.

Uns gehen doch die Worte aus, wo wir sie am dringendsten bräuchten. Wir hören Angst,Verlust und Trauer und haben nicht das Wort was tröstet. Man kann andere Menschen aushalten aber man scheitert doch am meisten immer an sich selbst, an seinem ganz eigenen Sein. Daran, dass man nicht das passende Wort in sovielen Momenten hat, wo man es so gerne sagen würde. Wir scheitern an uns selbst, wie wir eigentlich gerne wären aber es halt nunmal nicht sind.

Und andere finden man ist zu wenig, zu wenig von allem. So wie man ist. Zu wenig.

All diese zerbrochenen,gescheiterten Dinge können wir am Boden liegenlassen oder uns Zeit nehmen sie anzuschauen. Wir können uns gemütlich auf ein Kissen neben sie setzen und vielleicht auch etwas sehr schönes darin zu entdecken. Oder wir werfen einfach alles ins Meer und dann fängt man wieder von vorne an. Immer.

Laßt Euch Zeit in Eurem Leben, das Leben geht lang.

gehabt euch wohl,

Simone

 

 

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